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Kahlschlag in Ungarn im April 2012

Update 2019: Auf keiner der hier vorgestellten Strecken wurde bisher der Verkehr komplett eingestellt. Die im April 2012 festgesetzten reduzierten Angebote wurden auch im Jahr 2019 nahezu unverändert gefahren.

Vorhang auf für den dritten Akt des ungarischen Nebenbahndramas! Im März 2007 trennte man sich in Ungarn von einigen äußerst unwirtschaftlichen Nebenbahnen. Diese glänzten meist durch ein bereits ziemlich dürftiges Angebot und niedrige Streckengeschwindigkeiten. Doch der weiterhin defizitäre Bahnbetrieb Ungarns forderte 2,5 Jahre später seinen Tribut. Im Dezember 2009 wurde auf 20 Strecken der Zugverkehr eingestellt. Dabei waren einige verkehrlich unbedeutende Strecken wie die Schmalspurbahn um Kecskemét oder der Stichstrecke nach Körösnagyharsany. Andererseits wurden auch (ehemals) bedeutende Verbindungen wie Komárom-Székesfehérvár oder Strecken eingestellt, wo die Züge durchaus nicht schlecht besetzt waren (z.B. die Strecke nach Komló). 

Doch dann kam die Wahl. Und eines der Wahlversprechen der Partei um Viktor Orbán war, im Falle eines Wahlsieges die im Dezember 2009 eingestellten Strecken zu reaktivieren, so dies technisch möglich ist. Die Fidesz-Partei gewann die Wahl im Frühjahr 2010, seit Mai 2010 ist Orbán Ministerpräsident. Und auch die Reaktivierungen kamen. Bereits im Juli 2010 fuhren die ersten Züge auf einigen vormals eingestellten Strecken wieder. Der Verkehr wurde bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2010 zu einem ordentlichen Angebot ausgeweitet. Doch die Probleme blieben. Trotz des kostengünstigen Betriebes der Nebenbahnen mit den Bzmot-Triebwagen ist der Bahnbetrieb in Ungarn insgesamt defizitär.  

Die Modernisierung des Fahrzeugmaterials (gerade abseits der Magistralen) geht sehr langsam vonstatten, der Füllungsgrad der Züge auf den Nebenstrecken und teilweise auch auf den Hauptbahnen spricht Bände. Und das Geld ist auch unter der neuen Regierung knapp. So kam es wie es kommen musste, der Rotstift ging durch die Fahrplantabellen. Zum 15. April 2012 wurden mehr als 400 Züge gestrichen. Doch man entschied sich für die „sanfte Abgewöhnung“. Sämtliche Strecken bleiben (vorerst) in Betrieb. Dort wo man offensichtlich gern die Gesamteinstellung vollzogen hätte, aber sein Wahlversprechen nicht brechen wollte, fahren nun nur noch zwei Zugpaare am Tag. Neben einem Großteil der erst vor einem Jahr reaktivierten Strecken hat dieses Schicksal sogar die Strecke nach Újszeged getroffen.

Und ein Ende des Abwärtstrends im Nebennetz ist noch lange nicht erreicht. Bei einem dreitägigen Besuch in Ungarn Anfang April 2012 gab es viele erschreckend leere Züge zu sehen. Auch auf bedeutenderen Strecke wie Györ-Celldömölk oder Fonyód-Kaposvár. Da sind die Einsparungen durch die im April 2012 gestrichenen Züge nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Denn so lange keine Triebwagen beschafft werden, um die teuren lokbespannten Züge zu ersetzen oder im Bereich der Infrastruktur rationalisiert wird, muss mit weiteren Streichungsrunden gerechnet werden. Das nächste Mal wieder mit der kompletten Einstellung verschiedener Strecken?